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Wirtschaft, Westküste – und Klimawandel: Was wissen wir über mögliche Auswirkungen?

Der Klimawandel geht auch an den einzigartigen Natur- und Kulturlandschaften der Nordseeküste Schleswig-Holsteins nicht vorbei. In diesem Beitrag erklären wir, welche Folgen in der Region erwarten werden können.

Die Natur- und Kulturlandschaften der Nordseeküste sind das Ergebnis von langen Extremperioden aus Eis- und Warmzeiten, welche das Weltklima ständig verändern. Durch die Industrialisierung und die stetig wachsende Landnutzung – und die damit verursachten Treibhausgasemissionen – ist der Einfluß des Menschen auf unsere Umwelt jedoch deutlich intensiver geworden und trägt damit zu einem beschleunigten Klimawandel bei. Eine Umfrage des Umweltbundesamtes im Jahr 2019 ergab, dass 81 % der deutschen Kommunen bereits negative Folgen des Klimawandels und/oder extremer Wetterereignisse erfahren haben. Wir sehen: Der Klimawandel ist längst nicht mehr ein Problem der fernen Zukunft; wir stecken bereits jetzt in den immer drastischer werdenden Auswirkungen. 

Fakten zur Wirtschaft an der Westküste: 

Die Bruttowertschöpfung in Schleswig-Holstein besteht 
–    zu 2,1 % aus der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei (primärer Sektor), 
–    zu 30,2 % aus der verarbeitenden Industrie (sekundärer Sektor) und 
–    zu 67,8 % aus dem Dienstleistungssektor (tertiärer Sektor).
(Quelle: Regionale Kooperation Westküste, 2016) 


Welche klimatischen Veränderungen können wir erwarten? 

Obwohl Klimaprojektionen keine Vorhersage sind, helfen sie eine Reihe von möglichen Veränderungen zu antizipieren – auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Veränderung der Wetterelemente 

Global gesehen sagen die jüngsten IPCC-Berichte (Intergovernmental Panel on Climate Change) einen Temperaturanstieg der globalen Erwärmung von 2,1°C bis 3,4°C bis zum Jahr 2100 voraus (IPCC, 2023). Ändert sich das Klima, dann ändern sich auch die Wetterelemente wie Temperatur, Niederschlag, Sonnenschein und Wind. Eine weitere, drastische Folge: Der zunehmende Anstieg des Meeresspiegels (MELUND, 2017). 

Das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein (früher „MELUND“, heute „MEKUN“) fasste die erwarteten Veränderungen der Wetterelemente im Dokument „Anpassung an den Klimawandel Fahrplan für Schleswig-Holstein“ von 2017 wie folgt zusammen:

WetterErwartete Konsequenzen in Schleswig-Holstein
TemperaturAbhängig von der globalen Temperatur (Erwärmung: 2,1 – 3,4 Grad Celsius)Anstieg der ExtremtemperaturenAnstieg an Hitzetagen/Sommertagen, während Frosttage seltener werden
RegenKurzfristig: Keine signifikante Veränderung der jährlichen Menge bis 2050Langfristig: Anstieg des jährlichen Niederschlags auf +10 % (2071-2100)
SonneKurzfristig: Anstieg der durchschnittlichen täglichen Sonnenstunden, besonders im Winter und Frühling um bis zu 6 Minuten täglich (bis 2050)Langfristig: Verstärkung dieser Entwicklung, besonders im Winter und Frühling um bis zu 24 Minuten täglich (2071-2100)
WindKeine oder nur geringe Veränderungen

 

Veränderung des Meeresspiegels 

Bis zum Ende des Jahrhunderts rechnet das IPCC mit einem Anstieg des Meeresspiegels zwischen 0,6 m und 1,1 m (IPCC, 2019). Für Schleswig-Holstein wäre ein solcher Anstieg in jedem Fall wirkungsstark. Immerhin sind etwa 25 % der Fläche Schleswig-Holsteins potenziell von Sturmfluten betroffen. Auch wenn der Anstieg des Meeresspiegels nicht genau abgeschätzt werden kann, werden schwere Sturmfluten voraussichtlich häufiger auftreten (Meinke & Reckermann, 2012; MELUND, 2017).

Welche wirtschaftlichen Veränderungen können wir erwarten? 

Pendlergebiet: Bei der Mehrheit der Unternehmen an der Westküste handelt es sich um kleine Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten. Die südlichen Kreise Pinneberg, Steinburg und Dithmarschen sind Pendlergebiete im Einzugsgebiet der Metropolregion Hamburg und haben daher enge wirtschaftliche Verflechtungen mit dieser Stadt. 

Schifffahrt: Der Nord-Ostsee-Kanal, als wichtigste Wasserstraße zwischen Ost- und Nordsee und meist befahrene künstliche Seeschifffahrtsstraße der Welt, sowie die Häfen an der Nordseeküste (z. B. in Husum und Büsum) sind für die maritime Wirtschaft und Logistik von essenzieller Bedeutung. 

Fischerei: Die regionale Fischerei ist rückläufig und konzentriert sich mittlerweile mehr auf den Muschel- und Krabbenfang (MELUND, 2015). 

Windenergie: Die Kreise Dithmarschen und Nordfriesland sind prädestinierte Standorte für die Entwicklung und Nutzung von Windparks (Regionale Kooperation Westküste, 2023). 

Landwirtschaft: Was die Landwirtschaft betrifft, so gibt es in Nordfriesland sowohl Grünland als auch Weizenanbau während in Dithmarschen eher Ackerbau betrieben wird. Dithmarschen ist das größte Kohlanbaugebiet in Deutschland (MELUND, 2015). 

Tourismus: Nicht zuletzt ist die Region Nordseeküste ein touristisches Ziel (Regionale Kooperation Westküste, 2023). Aufgrund der heilenden Wirkung der Luft wurden ab Mitte des 20. Jahrhunderts viele Kureinrichtungen in Strandnähe gebaut. Davon profitierten nicht nur die Küstenstädte wie Sankt-Peter-Ording, sondern auch die Halligen und Inseln, deren Abgeschiedenheit und Ruhe inmitten des Nationalparks zu einem beliebten Urlaubsziel geworden sind (MELUND, 2015). Im Jahr 2021 lag das Gesamtübernachtungsaufkommen an der Nordseeküste bei 11,2 Millionen, wobei Sylt das beliebteste Reiseziel war (Tourismusverband Schleswig-Holstein, 2022).

Welche wirtschaftlichen Folgen können daraus entsehen? 

Mit Blick auf die bestehende Wirtschaft an der Westküste und die voraussichtlich bevorstehenden Folgen durch die Klimaveränderung wachsen auch die regionalen Herausforderungen. Auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche bezogen, lassen sich folgende Auswirkungen vereinfacht festhalten: 

Auswirkungen auf Arbeitskräfte

  • Das Wohlbefinden der Menschen wird durch die ansteigende Hitze beeinträchtigt. Längere und extremere Hitzeperioden sind besonders gefährlich für ältere und pflegebedürftige Menschen sowie für Kleinkinder. 
  • Die Temperaturextreme begünstigen zudem das Auftreten neuer Mücken- und Zeckenarten (z. B. der Asiatischen Tigermücke) und die Ausbreitung von Krankheitserregern. 

Auswirkungen auf die Landwirtschaft

  • Generell steigt das Ertragsrisiko in der Landwirtschaft aufgrund der schwierigeren Einschätzung von Wetter. So können veränderte Lebensbedingungen beispielsweise zu einer veränderten Leistung des Viehbestands und damit zu einer geringeren Milch- und Fleischproduktion führen.
  • Zudem wird es erforderlich sein, mehr Ressourcen in Entwässerungssysteme zu investieren, um eine einheitliche Flächennutzung zu erreichen (Marschenverband Schleswig-Holstein, 2014). 
  • Im Getreideanbau kann die Ertragsmenge bei höheren Temperaturen reduziert oder erhöht werden. Einerseits kann eine ausreichende Wasserversorgung die Erträge begünstigen, auf der anderen Seite können höhere Temperaturen die Kornfüllungsphase auch verkürzen und damit zu Verlusten führen (MELUND, 2017). 
  • Durch eine Anpassung an den Klimawandel wird erwartet, dass in der Region Norddeutschland neue Kulturen angebaut werden, möglicherweise sogar Wein (Umweltbundesamt, 2015).

Auswirkungen auf den Tourismus

Die Tourismusindustrie, die von einer intakten Infrastruktur und Natur sowie Umwelt abhängt, wird ebenfalls vom Klimawandel beeinflusst werden. 

  • Durch extreme Überschwemmungen besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit von Ungezieferplagen. Ebenso kann die Badewasserqualität, beispielsweise durch Algen, negativ beeinflusst werden. Dies mindert die Attraktivität der Nordseeküste als Urlaubsziel.
  • Allerdings könnten wärmere Temperaturen auch gleichzeitig mehr Besucher*innen anlocken, da die Luft- und Wassertemperaturen an der Nordseeküste steigen (MELUND, 2017). 
  • Es wird geschätzt, dass die Urlaubssaison im Frühjahr und Herbst insgesamt verlängert wird (MELUND, 2017; Rau, 2008). So behauptet eine Studie von Matzarakis und Tinz (2008), dass der norddeutsche Tourismus bis zum Jahr 2050 auf 25 Tage ausgedehnt werden wird. 

Der Küstentourismus, die Wirtschaftsgüter, die Infrastruktur, aber auch die gesamte Landfläche selbst könnten durch den steigenden Meeresspiegel und die Küstenerosion geschädigt werden (Rau, 2008). Stärkere Sturmfluten in Verbindung mit dem Anstieg des Meeresspiegels werden die Küstenschutzmaßnahmen (wie Deiche und Entwässerungssysteme) auf eine besondere Probe stellen. Dies gilt insbesondere für die Marschlande – hier werden stärkere Entwässerungssysteme erforderlich sein und der Salzwassergehalt in diesem Gebiet wird zunehmen. Diese Folge tritt eher im Winter auf, wenn sich Starkregen mit Sturmfluten kombinieren (Marschenverband Schleswig-Holstein, 2014). Auch Abschnitte von Stränden können gleich dauerhaft überflutet werden, wobei wir den Sandabtrag bereits heute beobachten (MELUND, 2017). 

Auswirkungen auf die Energiewirtschaft 

Wie bereits erwähnt, ist die Energiewirtschaft in der Region sehr wichtig. Die Infrastruktur kann durch extreme Stürme, Überschwemmungen, Gewitter oder Eislasten beeinträchtigt werden. Zu berücksichtigen gilt also auch, dass eine höhere Lufttemperatur die Effizienz der Stromerzeugung beeinträchtigen kann (MELUND, 2017).


Fazit 

Recherchen zeigen, dass sich nur wenige Autor*innen bisher auf die Auswirkungen von Klimawandel auf die Westküste und dessen Wirtschaft fokussiert haben, beziehungsweise teilweise nur auf bestimmte Wirtschaftszweige. Es besteht daher eine weitere und dringende Notwendigkeit, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels in der Nordseeküstenregion, um eine bessere Entscheidungsfindung in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zu gewährleisten. 

Die Folgen des Klimawandels können daher positive Auswirkungen haben, wie eine verlängerte Urlaubssaison für den Tourismus, aber auch negative Auswirkungen wie die Zunahme Sturmfluten, die Lebensgrundlagen und Vermögenswerte bedrohen.

Junior Beraterin Anje Kluth erklärt die möglichen Folgen des Klimawandels in Schleswig-Holstein
Anje Kluth, Junior Beraterin

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