
Interview mit Anja Werner von Fairvendo
Liebe Anja, danke, dass du dir Zeit nimmst, um mit uns über eure Erfahrungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu sprechen. Würdest du dich unseren Leser*innen einmal kurz vorstellen?
Mein Name ist Anja Werner und ich bin Nachhaltigkeitsbeauftragte bei fairvendo, einem Versicherungs- und Finanzberatungsunternehmen in Hamburg. Ich bin seit fünf Jahren im Unternehmen und seit etwas mehr als zwei Jahren für die Nachhaltigkeit und die CSE-Zertifizierung (Certified Sustainable Economics) zuständig.
Ihr habt gerade euren ersten Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht – freiwillig, denn fairvendo ist mit der Unternehmensgröße zu keiner Offenlegung der eigenen Nachhaltigkeit verpflichtet. Was sind die Antreiber für eure Eigeninitiative? Immerhin dreht es sich dabei um einen aufwendigen und ressourcenintensiven Prozess.
„Tue Gutes und sprich darüber“, unter diesem Motto fungiert man als eine Art Leuchtturm, an dem sich andere Akteure orientieren können. Bei fairvendo hatte das Thema Transparenz schon immer einen hohen Stellenwert. In der Finanzbranche ist Transparenz leider häufig kein gelebter Wert. Dabei müssen sich die Mandant*innen uns gegenüber auch offenbaren, um eine ganzheitliche, umfassende und qualitative Beratung zu erfahren. Deshalb war es uns von Anfang an sehr wichtig, dass auch wir Zahlen auf den Tisch legen und offen zeigen, was wir tun, was wir gut können und wo wir noch besser werden wollen. Das schafft Vertrauen — und Vertrauen ist die wichtigste Währung.
Bei der Berichtsstruktur orientiert ihr euch am Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK). Wie hat euch der DNK überzeugt?
Der DNK ist ein etablierter und bekannter Berichtsstandard. Uns war es wichtig, nachvollziehbare Kriterien anzusetzen, denen sich auch viele andere Unternehmen stellen, um eine Nachhaltigkeitsstrategie in unserem Nachhaltigkeitsberichtwesen dauerhaft sichtbar zu machen. Deshalb haben wir uns für den DNK entschieden.
Ein aussagekräftiger Nachhaltigkeitsbericht steht für ein hohes Maß an Transparenz. Das legt Stärken, aber natürlich auch Optimierungspotenziale offen. Hattet ihr im Laufe der Erstellung diesbezüglich auch Überraschungsmomente?
Wir selbst erschaffen ja keine eigenen Produkte und vermitteln ausschließlich die Produkte Dritter. Daher gab es für uns die Herausforderung, die Idee der Nachhaltigkeit mit den rechtlichen Vorgaben eines freien Maklers abzugleichen. Rein rechtlich sind wir dazu verpflichtet im ausschließlichen Kundeninteresse zu handeln. Da unsere Produktgeber, also Versicherer und Banken, nur wenige wirklich nachhaltige Produkte anbieten, sind unsere Möglichkeiten allerdings noch immer sehr limitiert. Wir haben uns aber selbst in einer Unternehmenszertifizierung (CSE) dazu verpflichtet, bei jeder Beratung immer auch ein nachhaltiges Produkt anzubieten.
Da sich gerade am Markt viel tut, sehen wir uns da auch als Lots*innen für unsere Mandant*innen. Wir beobachten die Entwicklung und teilen die Ergebnisse mit den Mandant*innen. Dabei fällt es uns von Jahr zu Jahr leichter, auch nachhaltige Versicherungs- und Finanzprodukte zu finden und anzubieten. Uns fallen jedoch auch zunehmend Anbieter*innen und Produkte auf, die alt bekannte Inhalte mit herkömmlichen Methoden und „grüner Farbe“ an den Markt bringen wollen. Wir sehen es als unsere Aufgabe, unsere Mandant*innen vor solchem „Green washing“ zu schützen.
Der Berichtsprozess durchleuchtet alle Bereiche eines Unternehmens, und alle Mitarbeiter*innen sind mit ihrer Erfahrung und ihren Eindrücken gefragt. Wie waren eure Mitarbeiter*innen an dem Berichtsprozess beteiligt?
Da wir uns schon vor mehreren Jahren von selbst auf diesen Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit gemacht haben, war da für viele nichts wirklich Neues dabei. Im Prinzip war es die Ordnung und Dokumentation dessen, was wir seit Jahren leben.
Jetzt, da die Ergebnisse der Jahre 2019 und 2020 vorliegen, welche Herausforderungen und welche Chancen siehst du für die kurz- und langfristige fairvendo-Zukunft in Sachen Nachhaltigkeit?
Ein Finanzdienstleister kann nicht durch große Ressourcen-Ersparnisse punkten. Fahrten und Geschäftsreisen mit dem PKW konnten wir auf ein Minimum reduzieren. Unser großes Potenzial entsteht dadurch, dass wir zusammen mit unseren 3000 Mandant*innen Geldströme lenken, schädliche Geschäftsmodelle ausschließen und die Zukunft tausender Individuen mitgestalten dürfen.
All die Bemühungen unsere Ergebnisse transparent zu machen und zu dokumentieren, haben eben auch den Nutzen, dass wir uns in einer Branche, die sehr konservativ ist, ein nachhaltiges Beispiel geben können. Versicherungsunternehmen sind große, schwere und finanzkräftige Tanker. Wir sind da eher das Schnellboot, dass diese Tanker umkreist und versucht, den einen oder anderen zu einer Kurskorrektur zu bewegen. Tatsächlich werden wir auch von Versicherungsunternehmen als Expert*innen wahrgenommen und angehört. Auch das sehe ich als unsere Aufgabe: Verbesserungen und die Entwicklung nachhaltiger Produkte einfordern und uns im Entstehungsprozess neuer Produkte einzumischen.
Vielen Dank für das tolle Gespräch, Anja!
Weitere Informationen zu fairvendo findet ihr über www.fairvendo.de.
Foto: fairvendo