
Wir brauchen endlich wahre Preise!
Ein Gastbeitrag von Dr. Katharina Reuter zum Thema nachhaltige Preispolitik.
Wenn wir die Einhaltung von Menschenrechten und Klimaschutz dem Markt überlassen, dann braucht es wahre Preise. Diese Preise reflektieren nicht nur die unmittelbaren Produktionskosten, sondern integrieren auch die ökologischen und sozialen Auswirkungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, wie Klimaschadenskosten und weiterer externer Effekte (Kosten für soziale und ökologische Schäden). Insgesamt ist die Festlegung wahrer Preise ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Durch die Integration ökologischer und sozialer Faktoren in die Preisgestaltung können wir
eine Wirtschaft schaffen, welche die ökologischen Grenzen unseres Planeten respektiert und soziale Gerechtigkeit fördert. Wahre Preise schaffen nicht zuletzt die Voraussetzung, Wettbewerbsbedingungen für nachhaltige Unternehmen anzugleichen.
Die Realität sieht jedoch anders aus: Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen reduzieren Umweltbelastungen, vermeiden unfaire Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette und senken Emissionen. Davon profitiert die ganze Gesellschaft. Die verantwortungsvoll agierenden Unternehmen haben aber heute immer noch einen klaren Wettbewerbsnachtteil, weil die nachhaltigen Produkte in der Herstellung teurer sind, aber am Markt mit Produkten konkurrieren, dessen Kosten für soziale und ökologische Schäden externalisiert wurden.
Aus diesem Grund zahlen wir für die Bio-Banane im Supermarkt mehr als für die Pestizid-Banane. Und eine giftfreie Jacke, die nach strengen Umweltkriterien und fair produziert wurde, ist teurer als die Jacke voller Chemie, die auch noch unter katastrophalen sozialen Bedingungen hergestellt wird.
Die Kosten zahlen wir so oder so. Die verborgenen, externen Kosten unseres heutigen Wirtschaftssystems werden auf die Gesamtgesellschaft abgewälzt: in Form von Steuern, Abgaben und Krankenkassenbeiträge. Oder sie werden künftigen Generationen überlassen, wie zum Beispiel die Kosten, die durch den menschengemachten Klimawandel verursacht werden.
Klimaschutz und Menschenrechte dürfen wir nicht einfach dem Markt überlassen – sie sollten durch wahre Preise in die Produktion eingepreist werden.
Ein besonders wirkungsvolles Instrument zur Abbildung wahrer Preise ist die Bepreisung von CO2. Durch eine effektive Bepreisung von CO2-Emissionen verteuern sich Geschäftsmodelle, die viel CO2 verursachen. Kosten, die auf die Produktpreise aufgeschlagen werden müssen, damit das Geschäftsmodell wirtschaftlich bleibt. Der Anreiz, in emissionsarme Lösungen zu investieren, steigt also. Denn dadurch sind die Kosten für die Herstellung eines Produktes geringer und wettbewerbsfähiger. Aus diesem Grund braucht es die kontinuierliche Umsetzung und Erhöhung eines sektorübergreifenden CO2-Preises.
Eine konservative Rechnung vom Umweltbundesamt geht von Schadenskosten von 205 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2 im Jahr 2030 aus. Anfang 2021 wurde in Deutschland der CO2-Preis auf Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel eingeführt: zunächst wurden 25 Euro pro Tonne CO2 fällig, heute liegt der bei 45 Euro pro Tonne und bis 2026 soll dieser auf 65 Euro pro Tonne steigen. Weit entfernt von den tatsächlich verursachten Kosten durch die Emissionen. Ohne eine deutliche Anhebung wirke der Preis wie eine Subvention der fossilen, umweltschädlichen Energieträger.
Der Schutz von Mensch und Umwelt gelingt nur, wenn alle Kosten unseres Wirtschaftens in die Preise einfließen – und dadurch tatsächlich wahre Preise entstehen.
Auch weitere externalisierte Umweltkosten sollten über Abgaben in die Preisbildung der Wirtschaft eingerechnet werden. Chemisch-synthetische Pestizide beispielsweise sind eine große Gefahr für Bienen und viele andere Insekten und Wassertiere, für Wildpflanzen und letztlich auch für den Menschen. Bodenleben, Trinkwasser und die auf dem Acker angebauten Lebensmittel werden durch sie belastet. Die Europäische Kommission hat das Ziel, den Einsatz von Pestiziden bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Ähnlich wie beim CO2-Preis könnten externalisierte Umweltkosten über eine Pestizidabgabe in die Produktionskosten eingepreist werden und würden sich damit auch auf die Preise, die wir im Supermarkt sehen, auswirken. Pestizidfreie Produkte würden damit wettbewerbsfähiger.
Die Preise am Regal oder Produkt führen uns in die Irre
Daher muss diese Marktverzerrung dringend beendet werden. Denn: Der Schutz von Mensch und Umwelt gelingt nur, wenn alle Kosten unseres Wirtschaftens in die Preise einfließen – und dadurch tatsächlich wahre Preise entstehen. Und dann können wir auch getrost sagen: Lass´ das doch den Markt regeln!
Über Dr. Katharina Reuter: Dr. Katharina Reuter macht sich als Geschäftsführerin des BNW Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. für eine zukunftsorientierte Wirtschaft stark. Der BNW ist die politische Stimme der nachhaltigen Wirtschaft und vertritt 700 Unternehmen mit über 200.000 Arbeitsplätze. Weitere Information zu Dr. Reuter gibt es zudem auf ihrer Webseite.
Foto: Caro Hoene
Wie bedanken uns herzlich bei Dr. Katharina Reuter für diesen wichtigen und informativen Beitrag zum Thema nachhaltige Preispolitik.
Dieser Gastbeitrag ist ursprünglich in unserem diesjährigen Jubiläumsmagazin von Sustaineration. erschienen. Dort finden Sie auch weitere Beiträge zum Thema Nachhaltigkeit und zur Unternehmensgeschichte.